Beatrix Hollenstein betreut das «Jägerstübli» im Keller des Tonhallenschulhauses. Dort erfrischen und stärken sich die Mitwirkenden der Wiler «La Traviata»-Produktion, die derzeit in der Tonhalle aufgeführt wird.
WIL. Es ist 20 Uhr, im Jägerstübli ist es ruhig. Ein paar Bühnenarbeiter sitzen an den Tischen – mit Folie eines Sponsors abgedeckte Hobelbänke im Werkraum des Tonhallenschulhauses – und besprechen ihre Arbeit. Für Beatrix Hollenstein ist dies der Moment, wo sie selbst die «Traviata» geniessen kann: «Wenn es am Anfang der Aufführung hier unten so ruhig ist, hört man die Ouverture sehr gut». Musik, die der Beizerin und Köchin mittlerweile nachläuft, längst begleitet die «Traviata» sie im Alltag.
Klosterküche
Und diesen Alltag verbringt Beatrix Hollenstein im Kloster. Und zwar in der Küche des Wiler Kapuzinerklosters. Durch einen Zufall ist sie zu dieser Arbeit gekommen: Nachdem sie 2012 das erste Mal das Jägerstübli für die Produktion «Die Banditen» des Musiktheaters Wil betreut hatte, wurde sie nach der Dernière von einer Mitarbeiterin ihres Jägerstübli-Teams gefragt, ob sie nicht Interesse hätte, an drei Tagen in der Woche und drei Wochenenden im Monat für die Kapuziner zu kochen.
Nachdem sie sich entschlossen hatte, das Restaurant «Städeli» an der Hofbergstrasse zu schliessen, war dieses Angebot eine willkommene Herausforderung. «Quartierbeizen sterben leider aus»: Ein bisschen trauert Beatrix Hollenstein ihrem Restaurant noch nach.
Keine Unterschiede
Doch die Arbeit im Kloster macht ihr immens Freude, sie erlebt sehr viel Dankbarkeit und Freundschaft. Die Brüder nehmen auch rege Anteil an ihrer Arbeit für das Musiktheater Wil: Sie staunen, wie sie den enormen Mehraufwand an Arbeit bewältigt. «Woher nimmst du diese Energie», wurde sie gefragt. Für Beatrix Hollenstein ist dies nicht verwunderlich: «Wir haben hier so ein wunderbares Team», schwärmt sie. Das familiäre Miteinander, nicht nur innerhalb des Jägerstübli-Teams, sondern mit allen Mitwirkenden zusammen, seien es Solisten, Orchestermusiker oder Bühnenarbeiter, ist einzigartig. «Es sind unterdessen Freundschaften entstanden», so Beatrix Hollenstein. Man unterstützt sich gegenseitig, es gibt keinen Unterschied zwischen Solisten und Backstage-Arbeitern.
Suppenbüchlein
Das Kapuzinerkloster ist auf eine fast unsichtbare Weise mit «La Traviata» verbunden. In der dortigen Küche bereitet Beatrix Hollenstein die frischen Speisen für die Vorstellungen zu: Linzer Torte, Schoggikuchen – und die Suppen, für die sie berühmt ist. Heute soll es Erbsensuppe geben, aber nicht nur eine gewöhnliche Erbsensuppe. «Es ist Ingwer mit drin – was Spezielles halt.» Am Ende der Produktion will Beatrix Hollenstein wieder ein Suppenbüchlein herausgeben: Zu jeder Aufführung kocht sie eine eigene Suppe.
Bis zuletzt
Der Arbeitseinsatz beginnt freilich weit vor den ersten Klängen der Ouverture. «Eigentlich bin ich immer viel zu früh da», so Beatrix Hollenstein. Anderthalb Stunden vor Vorstellungsbeginn bringt sie die Speisen eigenhändig ins Jägerstübli. Der offizielle Feierabend findet dann zwar bereits vor dem Schlussvorhang statt: «Nach der grossen Pause dürfen wir zusammen räumen.» Der Werkraum muss schliesslich für den Schulbetrieb wieder hergerichtet werden. Aber letztlich bleibt Beatrix Hollenstein bis zuletzt und hat auch für einzelne gesellige und durstige Mitwirkende noch ein Plätzchen bereit.
Die «Traviata» wird Beatrix Hollenstein derweil nicht nur aus den Katakomben heraus geniessen können, sie will sich einmal eine Aufführung ansehen. «Bis zur Dernière schaffe ich es», strahlt sie.