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“Traviata muss erzählt werden”

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Regina Heer inszeniert die „Traviata“ des MUSIKTHEATERWIL zeitgemäss. Damit folgt sie den Vorgaben des Veranstalters, der sich eine Wende gewünscht hatte.

Modern sollte sie werden, die Wiler „Traviata“, zeitgemäss. Dies war die klare Vorgabe der Theaterkommission, und mit diesem Ziel, ein Gegenstück zum  Bisherigen zu schaffen, ging man auf die Suche nach einem geeigneten Regisseur, einer geeigneten Regisseurin. „Ich war gerade auf einer Velotour, als der Anruf von Kurt Koller kam“, erinnert sich die Baslerin lachend. Gemeinsam mit Koller und Präsident Eugen Weibel war sie dann auf die Suche nach einem Werk gegangen.

Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“ eignet sich hervorragend für eine zeitgemässe Inszenierung: Die extrem hohe Emotionalität der Handlung spiegelt sich aufs Grossartigste in der Musik wieder. „Ich stehe dieser Oper sehr nahe“, erzählt die Regisseurin, die mit diesem Werk ein emotional sehr tiefes Erlebnis in einer früheren Produktion verbindet. „Wenn es mir nicht gut geht und ich höre diese Musik, kann ich loslassen – einfach wunderbar.

„Der Chor ist super“

Warum eine moderne Inszenierung?  Warum keine Krinolinen und Rüschen? „In einer zeitgemässen, oder besser zeitlosen Inszenierung kann die emotionale Ebene viel direkter umgesetzt werden“, so Heer. Wie war die Regisseurin dann an die Entwicklung der Inszenierung herangegangen? „Wir, Bühnenbildnerin Marion Menziger, Kostümblidner Bernhard Duss und ich, sitzen zusammen und überlegen, wie wir diese Oper erzählen wollen. Nach anfänglichem, herrlich ferien Spintisieren wird dan immer konkreter, wo wir den Fokus legen“, erzählt Regina Heer. Es gebe Opern, denen ein verfremdendes Konzept gut ansteht, aber „La Traviata“ muss ganz direkt erzählt werden. Und das bietet bei der Interpretation Spielraum. Vieles entwickelte sich auch während der Probenarbeit und da ist die erfahrene Opernregisseurin und Dozentin schlichtweg begeistert von ihrem Wiler Team: „Der Chor ist super“, schwärmt sie. Sehr präsent, spiel- und experimentierfreudig, diszipliniert und bringt vollen Einsatz.

Mit Bühne vertraut werden

Auch das Solisten-Ensemble ist sehr gelungen, die Arbeit macht schlichtweg Freude. Humor ist auch etwas, ohne das sich Heer ihre Arbeit nicht vorstellen kann. „Wir haben eine sehr gute Probenatmospäre“, schwärmt sie. Die Darsteller sollen sich zuhause fühlen, sicher, gemäss der Regel: „Make the stage a safe place“. So probieren sie aus, ohne Angst vor einer Abkanzlung durch den Regisseur.

Eine weitere Herausforderung ist für Regina Heer die Doppelbesetzung von Violetta und Alfredo. „Es sind zwei grundverschiedene Paare und ich probe häufig separat“, erzählt Heer aus ihrer Probenarbeit. So entwickelte jedes Paar auch eine eigene Sprache, eine eigene Regie. „Mit beiden Paaren die gleiche Regie zu poben, wäre nicht nur unstimmig, das hätte mich schlichtweg gelangweilt.“ Der einzige, der dadurch doppelte Arbeit leisten muss, ist Niklaus Kost, der Alfredos Vater, Giorgio Germont, singt und im zweiten Akt zwei grosse Szenen mit Alfredo und Violetta hat. „Er muss sich zwei verschiedene Inszenierungen verinnerlichen“, erläutert Heer diese Komplikation. Aber nicht umsonst hat sie die Probenarbeit mit den Solisten bereits sehr früh begonnen.

Seit dieser Woche wird in der Tonhalle geprobt. Platz fürs Experimentieren gibt es jetzt weniger, denn jetzt geht es darum, in diesem Raum anzukommen und im Originalbühnenbild heimisch zu werden.

Grosse Emotionen im schnörkellosen Umfeld

infowilplus, 23.12.2014

Die „Traviata“-Proben sind von der Probebühne in die Tonhalle umgezogen

Carola Nadler
Seit gut einer Woche probt das Ensemble des MUSIKTHEATERWIL in der Tonhalle. Zeitlich liege man so gut wie noch nie, sagt technischer Leiter Karl Ulmer.

 

Das MUSIKTHEATERWIL probt "La Traviata" bereits in der Tonhalle.

Das MUSIKTHEATERWIL probt “La Traviata” bereits in der Tonhalle.

Regisseruin Regina Heer wird von Choreograph Norbert Steinwarz unterstützt.

Regisseruin Regina Heer wird von Choreograph Norbert Steinwarz unterstützt.

"La Traviata"-Violetta, Nicole Bosshard, im Dialog mit dem Vater ihres Liebsten.

“La Traviata”-Violetta, Nicole Bosshard, im Dialog mit dem Vater ihres Liebsten.
„Ihr dürft nicht mit der Gruppe singen und denken, das stimme dann schon!“. Unermüdlich ruft Dirigent Kurt Pius Koller seinen Sängerinnen und Sängern in Erinnerung, dass die szenische Darstellung auf der Bühne die musikalische Qualität nicht verdrängen darf. Schwer vorstellbar, dass Opernchören auf den grossen Bühnen der Welt solche Sorgfalt zuteil wird!

Kollers Anspruch ist hoch: „Jeder Einzelne muss nach mir singen!“. Und : „Der Bass muss viel heller singen, jetzt umso mehr, auf dieser Bühne seid Ihr so weit hinten.“. Doch der Erfolg dieser vermeintlichen Pedanterie ist unumstritten: Transparent und messerscharf lassen die Chorpassagen die phantastische Grösse dieses Werkes sich erst entscheidend entwickeln.

Original Bühnenbild
„Lassen wir es doch einfach mal laufen.“ Regisseurin Regina Heer hat eine intensive Detailarbeit auf der Probenbühne hinter sich, nun kann zusammengefügt werden. Das Bühnenbild war bereits auf der Probebühne im Einsatz, allerdings in „entschärfter“ Version. Jetzt sind die Rampen deutlich steiler, das Gehen darauf muss geübt werden. Nicht umsonst tragen die Damen bereits die Schuhe ihrer Kostüme mit teils mörderischen Absätzen.

Körpersprache
Die Durchlaufprobe an diesem Samstag ist geprägt von Detailarbeit, die aber keinesfalls ermüdend wirkt, sondern von der hohen Aufmerksamkeit der Regisseurin geprägt ist – und ihres Assistenten Norbert Steinwarz, Tänzer und Choreograph. Seine Aufgabe ist es, den Darstellern zu zeigen, wie man geht, wie man sich auf der Bühne bewegt. „Ein Publikum, das nicht fliessend Italienisch versteht, ist darauf angewiesen, dass es via Körpersprache die Dialoginhalte vermittelt bekommt“, erläutert Steinwarz seine Arbeit. Was Koller über die Musik und Heer über die Regie erreichen, geschieht bei Steinwarz über die Körpersprache: Seine Darsteller erzählen die Geschichte mit Gestik und Mimik.

Wie ein Zwilling
„Ihr steht dort oben wie auf einer Hühnerleiter“, kommentiert die Regisseurin ein bestimmtes Bild, aber völlig ohne „Niedermache“, vielmehr als Rückmeldung von aussen. „Schaut neben Euch“, so Steinwarz. “ Wenn Ihr neben Eurem Nachbarn wie ein Zwilling steht, ändert etwas daran: Lehnt Euch zurück und betrachtet dessen Frisur“. Gelächter begleitet diese Anweisung.

Regina Heer weist die Darsteller – Chor wie Protagonisten – ein, wie weit sie sich im Raum ausdehnen dürfen. Sehr weit: Sie zeigt, welche Winkel später vom Licht ausgeleuchtet werden. Technisch gibt es noch Einiges zu tun, wie technischer Leiter Karl Ulmer berichtet, der als Marchese d’Obigny ebenfalls auf der Bühne steht. Anstehende Arbeiten können nur abseits der Probenarbeit erledigt werden: Frühmorgens oder nachts. Oder am Sonntag. Dennoch ist er mehr als zuversichtlich: „Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch nie so weit fortgeschritten“.

„Grosse Gefühle“
Der zweite Akt: Violetta wird von Alfredos Vater Giorgio Germont bedrängt, ihren Geliebten zu verlassen, um der Tochter eine standesgemässe Heirat zu ermöglichen. Nicole Bosshard und Niklaus Kost proben in privaten Kleidern, lediglich der Mantel von Vater Germont wird bereits zur Verwahrung der Requisiten benötigt, ein Bild der Tochter. Nicole Bosshard trägt Leggings und einen Jupe, darüber ein T-Shirt, trendige Armbändli, sie ist barfuss.

Dennoch: Die Eindringlichkeit der Darstellung beider Protagonisten ist dermassen überwältigend, dass man schlicht die Probensituation vergisst: Im Zuschauerraum sind die Stühle zur Seite gestapelt, Wasserflaschen, Thermoskannen, Kleiderbündel liegen achtlos herum und die Korrepetitorin sitzt auf einer Technikkiste. „Grosse Gefühle“, authentisch dargestellte Emotionen brauchen eben keine Rüschen und Krinolinen.

Choreograph Norbert Steinwarz gibt Hinweise zur Körperarbeit.

Choreograph Norbert Steinwarz gibt Hinweise zur Körperarbeit.

Regina Heer erläutert ihre Beobachtungen.

Regina Heer erläutert ihre Beobachtungen.

Nicole Bosshard als Violetta steht vor einer wichtigen Entscheidung.

Nicole Bosshard als Violetta steht vor einer wichtigen Entscheidung.

Der Chor des MUSIKTHEATERWIL arbeitet sich in das Bühnenbild ein.

Der Chor des MUSIKTHEATERWIL arbeitet sich in das Bühnenbild ein.

Noch wird mit dem Klavier geprobt.

Noch wird mit dem Klavier geprobt.

Bereits jetzt wird mit den Originalschuhen geprobt - sicher ist sicher.<br>

Bereits jetzt wird mit den Originalschuhen geprobt – sicher ist sicher.

Authentische und wahrlich grosse Gefühle auf der Tonhallenbühne.

Authentische und wahrlich grosse Gefühle auf der Tonhallenbühne.

Probe mit Humor und Tiefgang

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„Traviata“-Probenarbeit mit Humor und Tiefgang

WIL Chor und Solisten des MUSIKTHEATERWIL trafen sich vergangenes Wochenende zu intensiven Regieproben für die Inszenierung von „La Traviata“.

„Diese Stelle wäre ideal für mich zum Abstechen“, meint Dirigent Kurt Koller trocken. Gelächter. Und ja, er hat wirklich abstechen gesagt und es auch gemeint: Ein Stier soll abgestochen werden. Und ja, es wird für „La Traviata“ geprobt, nicht für „Carmen“. Auch in „La Traviata“ kommt eine Szene mit Stier und Matador vor – allerdings wird diese Szene nur auf einem Ball gespielt, von übermütigen, dem Alkohol bereits reichlich zugesprochenen Herren der sog. besseren Gesellschaft.

Jede Stimme wird gebraucht
Kollers Aussage resultiert aus der Tatsache, dass das gleichzeitige Singen und Agieren sehr schwierig ist – denn sowohl Regisseurin Regina Heer als auch er selbst als musikalischer Leiter haben natürlich ihre Ansprüche: Der Matador – ein Wiler Chorsänger – muss einerseits seine Lanze richtig halten und bewegen können, worunter andererseits die musikalische Qualität nicht leiden darf. Darum sucht Koller eine Stelle aus, in welcher der Chor eine Pause hätte, denn auf die Stimme des Matadors kann er nicht verzichten: „Ich brauche jede Stimme!“.  Doch nach einigen Durchläufen dieser Szene klappt es bestens und auch die anderen Herren mimen äusserst spielbegeistert den Muni.

Kritik wird umgesetzt
So heiter die vergangene Produktion des MUSIKTHEATERWIL mit Offenbachs „Die Banditen“ war, so ernst, sogar so tragisch ist Verdis „La Traviata“. Die aufrichtige Liebe einer Frau scheitert an den moralischen Gesetzen einer Gesellschaft, die selbst aber jeden Blick hinter die Kulissen verweigert. Selbstverständlich gehen das Regieteam und das Wiler Ensemble mit seriösem Ernst mit dieser Thematik um, doch immer wieder bricht Gelächter aus. Es mag Regisseure geben, die sich an den Zwischenbemerkungen der Darsteller nerven mögen – Regina Heer derweil lacht und albert mit. Verliert darüber hinaus aber niemals ihre Autorität: Auch kritische Bemerkungen werden nicht persönlich genommen, sondern umgesetzt.

Emotionalität
Der Chor beherrscht seinen musikalischen Part bereits bestens. An einer Probe in der Stadtkirche zusammen mit den Solisten und dem Orchesterverein konnte man schon mehr als eine Ahnung von den wunderbaren Melodien und deren jungen, dynamischen Umsetzung durch Kurt Koller bekommen: Auf Will wird ein Genuss-Feuerwerk Verdi´scher Genialität zukommen.
Visuell wird diese Musik in ein Gesamtkonzept aus Bühne, Licht und Kostümen eingebettet sein, das die Fokussierung auf das Wesentliche dieser Oper zulässt: Auf die tiefe Emotionalität der darin verwickelten Protagonisten.

Am Freitag, 12. Dezember 2014 um 19.00 Uhr wird Regisseurin Regina Heer in der Volkshochschule Wil über den Ansatz ihrer zeitgemässen Interpretation. Eine Anmeldung ist erforderlich unter www.vhs-wil.ch.