«Meitli, das gibt Arbeit»

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Die Wilerin Nicole Bosshard steht ab dem nächsten Samstag als Violetta in Verdis Oper «La Traviata» auf der Tonhallen-Bühne. Die Arbeit mit Regisseurin Regina Heer erlebt sie als persönliche Bereicherung.

«Ich dachte, die sind verrückt», erinnert sich Nicole Bosshard lachend an den Moment, als Eugen Weibel, Präsident des Musiktheaters Wil, sowie der musikalische Leiter Kurt Pius Koller nach der Dernière des letzten Classic Open Airs auf sie zugekommen waren: Ob sie Interesse habe, bei der nächsten Musiktheater-Wil-Aufführung «La Traviata» die Rolle der Violetta zu übernehmen. Diese Figur in der Oper von Giuseppe Verdi ist für jede Sopranistin die absolute Traumrolle, Sängerinnen wie Teresa Stratas, Angela Gheorghiu und Anna Netrebko erlangten mit ihr Weltruhm.

Die Wiler Sopranistin, die in der letzten Musiktheater-Produktion «Die Banditen» als Räubertochter auf der Bühne stand, nahm die Herausforderung an: «Ich habe geübt wie eine Wahnsinnige.» Als nach dem Vorsingen Eugen Weibel ihr mitgeteilt habe, dass auch Regisseurin Regina Heer von ihr als Violetta überzeugt sei und sie die Rolle habe, habe sie es nicht glauben können. Die Reaktion ihres Gesangslehrers Ivan Konsulov: «Meitli, das gibt Arbeit.»

Italienisch als Herausforderung

Ein Handicap beim Studium der Rolle waren die mangelnden Sprachkenntnisse. Aber eine italienische Kollegin half ihr dabei, sie lasen die Oper mehrere Male durch. «Wobei es erst noch ein altertümliches Italienisch ist, wie meine Kollegin meinte.» Dreimal besuchte sie an der Musikakademie Basel Rainer Altdorfer, der ihr bei der musikalischen Umsetzung dieser Sprache half. «Jetzt noch gibt es Stellen, an denen Regina Heer meine Aussprache ein wenig bemängelt», erzählt Nicole Bosshard. Aber sie ist zuversichtlich, die Aussprache bis zur Premiere am nächsten Samstag tadellos hinzubekommen. Dennoch: «Es wäre ein riesiger Fehler gewesen, die Oper auf Deutsch aufzuführen.» Freilich ist es nicht einfach, die richtige Gestik und Mimik zu erzeugen, wenn man den Text nicht detailliert versteht. Aber dafür hat Nicole Bosshard die Übersetzung in den Klavierauszug eingetragen und wenn die Doppelbesetzung Andrea Hofstetter und Israel Alarcon Maizer probte, las sie die Übersetzung mit.

Die Probenarbeit erlebt die Sopranistin äusserst positiv. «Wir hatten es noch nie so gut im Team», schwärmt sie von der Zusammenarbeit mit Regisseurin Regina Heer. Sie lasse einen auch einmal etwas ausprobieren, zwinge einem ihre Regie nicht auf, und gäbe dann wirklich faire Rückmeldungen. Wenn diese «La-Traviata»-Inszenierung einen persönlichen Einfluss auf Nicole Bosshard haben wird, dann nicht die Auseinandersetzung mit der Rolle an sich, sondern diese Regiearbeit. «Regina Heer inspiriert einen zu einer besseren Selbstwahrnehmung», erzählt Nicole Bosshard. «Wie würdest Du Dich privat in dieser Situation verhalten?», fragt sie beispielsweise immer wieder. «Es war mir bis jetzt nie so bewusst, was man durch eine Körperhaltung ohne grosse Gestik alles bewirken kann.»

Moderne Inszenierung

«La Traviata» wird modern, zeitgemäss inszeniert, das Bühnenbild ist schlicht gehalten. «Es ist nicht einfach, mit so wenig auszukommen», meint Nicole Bosshard. So sei man ganz auf die Gefühle reduziert und auf deren musikalische Umsetzung. «Aber mir geht es sehr gut damit.» Auf ihre Kostüme freut sich die Sopranistin ungemein und zückt ihr Handy mit Bildern von ihr bei der Anprobe. «Das gab es noch nie, dass extra für mich Kleider genäht wurden», sagt sie. Die Zeit vom ersten Notenstudium bis zur Premiere ist streng. «Ich stehe mit Violetta auf, ich gehe mit ihr ins Bett. Oft war ich froh, wenn ich mich während der Arbeit im Büro wieder anderen Dingen widmen konnte.» Abends vor dem Einschlafen geht Nicole Bosshard Passagen durch. Stockt sie, wird das Licht angeknipst und nachgeschaut. Die Violetta Valérie ist wahrlich eine grosse Rolle, aber Nicole Bosshard fühlt sich darin wohl. Es ist eine authentische Rolle, eine Frau mit Emotionen.

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