Grosse Emotionen im schnörkellosen Umfeld

infowilplus, 23.12.2014

Die „Traviata“-Proben sind von der Probebühne in die Tonhalle umgezogen

Carola Nadler
Seit gut einer Woche probt das Ensemble des MUSIKTHEATERWIL in der Tonhalle. Zeitlich liege man so gut wie noch nie, sagt technischer Leiter Karl Ulmer.

 

Das MUSIKTHEATERWIL probt "La Traviata" bereits in der Tonhalle.

Das MUSIKTHEATERWIL probt “La Traviata” bereits in der Tonhalle.

Regisseruin Regina Heer wird von Choreograph Norbert Steinwarz unterstützt.

Regisseruin Regina Heer wird von Choreograph Norbert Steinwarz unterstützt.

"La Traviata"-Violetta, Nicole Bosshard, im Dialog mit dem Vater ihres Liebsten.

“La Traviata”-Violetta, Nicole Bosshard, im Dialog mit dem Vater ihres Liebsten.
„Ihr dürft nicht mit der Gruppe singen und denken, das stimme dann schon!“. Unermüdlich ruft Dirigent Kurt Pius Koller seinen Sängerinnen und Sängern in Erinnerung, dass die szenische Darstellung auf der Bühne die musikalische Qualität nicht verdrängen darf. Schwer vorstellbar, dass Opernchören auf den grossen Bühnen der Welt solche Sorgfalt zuteil wird!

Kollers Anspruch ist hoch: „Jeder Einzelne muss nach mir singen!“. Und : „Der Bass muss viel heller singen, jetzt umso mehr, auf dieser Bühne seid Ihr so weit hinten.“. Doch der Erfolg dieser vermeintlichen Pedanterie ist unumstritten: Transparent und messerscharf lassen die Chorpassagen die phantastische Grösse dieses Werkes sich erst entscheidend entwickeln.

Original Bühnenbild
„Lassen wir es doch einfach mal laufen.“ Regisseurin Regina Heer hat eine intensive Detailarbeit auf der Probenbühne hinter sich, nun kann zusammengefügt werden. Das Bühnenbild war bereits auf der Probebühne im Einsatz, allerdings in „entschärfter“ Version. Jetzt sind die Rampen deutlich steiler, das Gehen darauf muss geübt werden. Nicht umsonst tragen die Damen bereits die Schuhe ihrer Kostüme mit teils mörderischen Absätzen.

Körpersprache
Die Durchlaufprobe an diesem Samstag ist geprägt von Detailarbeit, die aber keinesfalls ermüdend wirkt, sondern von der hohen Aufmerksamkeit der Regisseurin geprägt ist – und ihres Assistenten Norbert Steinwarz, Tänzer und Choreograph. Seine Aufgabe ist es, den Darstellern zu zeigen, wie man geht, wie man sich auf der Bühne bewegt. „Ein Publikum, das nicht fliessend Italienisch versteht, ist darauf angewiesen, dass es via Körpersprache die Dialoginhalte vermittelt bekommt“, erläutert Steinwarz seine Arbeit. Was Koller über die Musik und Heer über die Regie erreichen, geschieht bei Steinwarz über die Körpersprache: Seine Darsteller erzählen die Geschichte mit Gestik und Mimik.

Wie ein Zwilling
„Ihr steht dort oben wie auf einer Hühnerleiter“, kommentiert die Regisseurin ein bestimmtes Bild, aber völlig ohne „Niedermache“, vielmehr als Rückmeldung von aussen. „Schaut neben Euch“, so Steinwarz. “ Wenn Ihr neben Eurem Nachbarn wie ein Zwilling steht, ändert etwas daran: Lehnt Euch zurück und betrachtet dessen Frisur“. Gelächter begleitet diese Anweisung.

Regina Heer weist die Darsteller – Chor wie Protagonisten – ein, wie weit sie sich im Raum ausdehnen dürfen. Sehr weit: Sie zeigt, welche Winkel später vom Licht ausgeleuchtet werden. Technisch gibt es noch Einiges zu tun, wie technischer Leiter Karl Ulmer berichtet, der als Marchese d’Obigny ebenfalls auf der Bühne steht. Anstehende Arbeiten können nur abseits der Probenarbeit erledigt werden: Frühmorgens oder nachts. Oder am Sonntag. Dennoch ist er mehr als zuversichtlich: „Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch nie so weit fortgeschritten“.

„Grosse Gefühle“
Der zweite Akt: Violetta wird von Alfredos Vater Giorgio Germont bedrängt, ihren Geliebten zu verlassen, um der Tochter eine standesgemässe Heirat zu ermöglichen. Nicole Bosshard und Niklaus Kost proben in privaten Kleidern, lediglich der Mantel von Vater Germont wird bereits zur Verwahrung der Requisiten benötigt, ein Bild der Tochter. Nicole Bosshard trägt Leggings und einen Jupe, darüber ein T-Shirt, trendige Armbändli, sie ist barfuss.

Dennoch: Die Eindringlichkeit der Darstellung beider Protagonisten ist dermassen überwältigend, dass man schlicht die Probensituation vergisst: Im Zuschauerraum sind die Stühle zur Seite gestapelt, Wasserflaschen, Thermoskannen, Kleiderbündel liegen achtlos herum und die Korrepetitorin sitzt auf einer Technikkiste. „Grosse Gefühle“, authentisch dargestellte Emotionen brauchen eben keine Rüschen und Krinolinen.

Choreograph Norbert Steinwarz gibt Hinweise zur Körperarbeit.

Choreograph Norbert Steinwarz gibt Hinweise zur Körperarbeit.

Regina Heer erläutert ihre Beobachtungen.

Regina Heer erläutert ihre Beobachtungen.

Nicole Bosshard als Violetta steht vor einer wichtigen Entscheidung.

Nicole Bosshard als Violetta steht vor einer wichtigen Entscheidung.

Der Chor des MUSIKTHEATERWIL arbeitet sich in das Bühnenbild ein.

Der Chor des MUSIKTHEATERWIL arbeitet sich in das Bühnenbild ein.

Noch wird mit dem Klavier geprobt.

Noch wird mit dem Klavier geprobt.

Bereits jetzt wird mit den Originalschuhen geprobt - sicher ist sicher.<br>

Bereits jetzt wird mit den Originalschuhen geprobt – sicher ist sicher.

Authentische und wahrlich grosse Gefühle auf der Tonhallenbühne.

Authentische und wahrlich grosse Gefühle auf der Tonhallenbühne.

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